Je länger das künstliche Koma der Wirtschaft andauert, desto lauter wird in der Coronavirus-Pandemie die Frage, ob der Lockdown der Gesellschaft den Einsatz eigentlich wert ist. Es ist eine Frage, die in weniger existenziellen Zeiten mit einem Tabu belegt ist, die Frage, welchen Preis eine Gesellschaft zu zahlen bereit ist, um Menschenleben zu retten. Nun wird sie offen diskutiert, sogar von den angeblich so moralischen Leitmedien, und mit möglicherweise fatalen Folgen für eine Unzahl von Menschen.
Der Spiegel war eine der ersten Publikationen, die eine makabre Debatte anstießen. Die Autorin wand sich um die Antwort nicht lange herum. Ja, Menschenleben haben für einen Staat einen Preis und, ja, dieser ist durchaus verhandelbar. Im Klartext bedeutet dies nach Lesart des Nachrichtenmagazins: Es sei durchaus legitim, wenn eine Regierung im Interesse der Wirtschaft den Tod von zig- oder sogar hunderttausenden Menschen in Kauf nimmt, um die „Zukunft“ des Landes nicht zu gefährden.
Wie nah diese Einstellung der Doktrin von unwertem Leben in totalitären Systemen ist, kommt weder der Autorin noch Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann in den Sinn. Und sie sind nicht allein. Eine Allianz von überwiegend konservativen Zeitungen und Zeitschriften, allen voran Springers Boulevard-Kanone BILD, macht derzeit sich für einen möglichst raschen Lockdown-Exit stark – allen Umfrageergebnissen zum Trotz…